Was sind Spannkraft und Schnittkräfte?
Die Spannkraft ist jene Kraft, mit der das Werkstück in der Werkstückspannung beim Fräsen festgehalten wird. Die Spannkraft muss mindestens so groß wie die Schnittkräfte sein um das Bearbeitungswerkstück sicher zu fixieren. Von einem tollen Leser und begeisterten CNC Eigenbauer erhielt ich die Frage (siehe original Beitrag zum Bau einer Frässpindel), wie groß denn nun die Schnittkräfte bei der Bearbeitung von Aluminium sind und ob man mit einer Eigenbau Frässpindel auch Aluminium bearbeiten kann:
Frässpindel-Eigenbauer: “Die Frage die ich mir Stelle ist ob man eine Selbstbau Spindel mit Alu belasten kann. Weisst du wie viel Fräskraft auftritt?”
Deshalb werde ich nachfolgend kurz die Vorgehensweise zur Berechnung der Schnittkraft beim Stirnfräsen darstellen.
Berechnung der Schnittkräfte bzw. der Spannkraft
Die auftretende Schnittkraft Fc zwischen Werkzeug und Werkstück beim Fräsen lässt sich mit der Formel von Viktor/Kienzle folgendermaßen berechnen:
In dieser Formel gibt es nun genau genommen 5 Faktoren, welche ohne tieferes Studium völlig unbekannt sind. Die Bestimmung dieser Faktoren ist jedoch kein Hexenwerk und ich werde für Euch eine kurze Beispielrechnung durchführen.
Die spezifische Schnittkraft kc1.1 und der Spanungsdickenexponent mc sind abhängig vom eingesetzten Bauteilwerkstoff. Beide Parameter liegen in Tabellenwerken vor, und müssen nur für das entsprechende Material herausgesucht werden (siehe Tabelle 1). Weiterhin benötigt man für die Berechnung der Schneidkraft Fc nach der Kienzle Gleichung die Spanungsbreite b, die Spanungsdicke h sowie den Korrekturfaktor K.
Berechnung des Korrekturfaktors K
Die Berechnung des Korrekturfaktors K erfolgt über den Korrekturfaktor Kvc für die Schnittgeschwindigkeit, den Korrekturfaktor Ky für den Spanwinkel, Ksch für den Schneidwerkstoff und den Verschleißfaktor Kver. Die einzelnen Faktoren werden nachfolgend erläutert:
- Korrekturfaktor Kvc
- Korrekturfaktor Ky
- Korrekturfaktor Ksch
Ksch = 1,0 für VHM, 1,2 für HSS und 0,9 für Keramikschneidwerkstoff. - Korrekturfaktor für den Verschleiß Kver
Kver = 1,0 bei neuem Werkzeug und 1,5 bei verschlissenem Schnittwerkzeug.
Spanungsdicke und Spanungsbreite
Die Spanungsdicke h entspricht der Dicke des Frässpans und die Spanungsbreite b ist die Breite des Frässpans im Spanquerschnitt. Die Grafik veranschaulicht diese beiden Spanungsgrößen während des Schneideneingriffs am Werkstück. Aus der Spanungsbreite und der Spanungsdicke wird die Schneidspanfläche A=b*h berechnet. Bei einem Stirnfräser mit dem Schneidwinkel von k ist die Spanungsdicke h=fz*sin(k). (fz=Vorschub pro Schneidzahn) Bei einem Fräser mit 90° Schneide ist nach dieser Formel die Spandicke gleich dem Vorschub pro Zahn. Zur Berechnung der Schnittkraft wird wie oben bereits erwähnt auch die Spanbreite benötigt.
Die Spanungsbreite lässt sich über die Schnitttiefe ap und den Einstellwinkel k (kappa) berechnen, wobei der Einstellwinkel der Winkel zwischen der Vorschubrichtung und der Hauptschneide des Fräsers ist. Somit haben wir alle Formeln und Tabellenwerte zur Berechnung der Faktoren der Kienzle Gleichung und wir können die Prozesskraft bzw. die Schneidkraft beim Stirnfräsen berechnen. Damit das ganze nicht so abstrakt ist, kommt jetzt noch ein kleines Rechenbeispiel für die Berechnung der Spannkraft bzw. Schnittkraft beim Stirnfräsen.
Beispiel zur Berechnung der Schnittkraft bzw. Spannkraft
Nehmen wir also an, wir wollen ein Aluminium Werkstück aus AlMg1 mit einem Fräser mit Durchmesser 8 bearbeiten. Ich wähle jetzt einfach mal einen HSS 3-Schneidenfräser der Fa. Hoffmann mit der Artikel Nummer 19 1260. Die Legierung AlMg1 ist eine Aluminium Legierung mit einem geringen Silizium Anteil, deshalb gelten aus Tabelle 1 folgende Faktoren: kc1.1 = 700 und mc=0,25. Wir wollen mit einer Schnittgeschwindigkeit vc von 100 m/min arbeiten und ins volle Fräsen (ae=8mm, fz=0,2).
Damit lassen sich folgende Faktoren für die Kienzle Gleichung ermitteln:
Spezifische Schnittkraft kc1.1 = 700
Spanungsdickenexponent mc = 0,25
Korrekturfaktor K = 1,26
Kvc = 1; Ky = 0,7; Ksch = 1,2; Kver = 1,5
(Annahmen: vc=100 m/min, 30° Schneidenwinkel, Fräser aus HSS und bereits verschlissenes Werkzeug)
Spanungsbreite b = ap = 5mm
Spanungsdicke h = fz = 0,2
Ergebnis Schnittkraft Fc = 1318 N
Mit diesen Faktoren ergibt sich eine Schnittkraft von 1318 N, was genau der Belastung unseres Fräsers in Querrichtung bzw. der Spindel in Querrichtung beträgt. Anders gesagt sollte auch die Werkstückspannung mindestens eine Spannkraft von 1318 N aufweisen, damit uns aufgrund der zu geringen Spannkraft nicht das Werkstück um die Ohren fliegt.
Sollte jemand einen Fehler in meiner Rechnung entdecken oder weitere Hinweise oder Vereinfachungen für die Berechnung haben, so bin ich gerne für Feedback offen.
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Hey ihr habt mir schon viel weitergeholfen doch vielleicht bin ich einfach zu blöd oder übersehe es
Wie finde ich den tatsächlichen Sparwinkel raus ?
Spanwinkel sorry
Hi Toni!
In meinem Alter ( bin 77 Jahre) habe ich mich entschlossen mir eine CNC Fräse zu bauen.Da ich viele Jahre als Betriebsschlosser tätig war,fiel es mir nicht schwer eine cnc Portatfräse zu bauen.Die ist nun fertig .Nun kommt der schwierige Teil und das ist die Steuerung der Schrittmotore. Dazu benötige ich dringend Hilfe. Es wäre sehr hilfreich für mich
wenn du mir einige Tips geben könntest.
Ich habe 3 Schrittmotore Typ 3,6 Nm 4 A und benötige die passenden Endstufen und Steuerplatine
mit einen externen Steueranschluß dazu.
Die Fräse wird mit Trapezspindel angetieben auf drei
Achsen. Gefräst wird nur NE . Ich freue mich auf jede
Unterstützung und bedanke mich in voraus
Gruß Werner
Hallo Werner,
bitte entschuldige meine verspätete Antwort. Aber schon mal großen Respekt an dich und deinen Tatendrang 🙂
Falls du noch am überlegen bist, kann ich dir z.B. als oft geschätzte Lösung die “Triple Beast” von Benezan empfehlen, siehe auch meinen Artikel hier: https://www.precifast.de/triple-beast/
Als Spannungsversorgung für die Triple Beast wäre dann noch z.B. ein MeanWell Schaltnetzteil notwendig, würde dir z.B. ein 48 V Netzteil empfehlen. Bitte beachte dass das Netzteil ausreichend Leistung besitzt (musst du entsprechend auslegen) damit nicht der Strom unter Last einbricht.
Zusätzlich bräuchtest du dann auch einen Steuerungs-PC mit der alten Drucker LPT-Schnittstellle. Auf diesem würdest du z.B. Linux-CNC oder Mach 3 als CNC Steuersoftware installieren, welche den zuvor produzierten G-Code ablaufen lässt.
Ich hoffe ein wenig weitergeholfen zu haben und falls Du noch weitere Fragen im Detail hast oder etwas unklar ist kannst du dich gerne wieder bei mir melden!
Viel Erfolg!
Toni
Hi!
Ich bin gerade dabei das alles ein wenig nachzuvollziehen. Jedoch glaube ich auch nicht ganz, dass die Spindel selber die Kraft F_c aufnehmen muss. In der Literatur wird für die Leistungsberechnung der Spindel die mittlere Hauptschnittkraft pro Schneide (F_cm) verwendet. Die errechnet sich im wesentlichen genau so wie F_c jedoch werden andere Konstanten verwendet. Ich hab leider nicht das Buch (Praxis der Zerspantechnik: Verfahren, Werkzeuge, Berechnung – Tschätsch, Heinz) und seh nur die Ausschnitte auf Google Books, daher kann ich die gesamte Rechnung jetzt nicht vollständig nachvollziehen.
Der Wert ist sicherlich für eine genaue Abschätzung wichtig aber vermutlich eben nicht genau der Wert der gesucht ist?
Also ich hab mir das Buch mal ausgeborgt und nachgelesen. Die Formeln stimmen schon aber vermutlich werden damit zu hohe Kräfte herauskommen. Es wird nämlich argumentiert, dass a) die Spandicke beim Fräsen bei der Umdrehung sich ändert und b) nicht alle Schneiden im Eingriff sind. Dadurch erhält man die Mittenspandicke (h_m) und errechnet sich die mittlere Schnittkraft (F_cm).
Ich denke die Berechnung ist OK, wenn man einen Näherungswert haben möchte, für alles weitere sollte man sich das Buch mal ausborgen 🙂
LG Sebastian
Hi Sebastian!
danke fürs Gegenprüfen und deine Rückmeldung. Ich schau mal ob ich das Buch mir auch besorge und die Berechnung dann noch verfeinere.
VG Toni
Hi Toni,
zu der Schnittkraftberechnung:
Ich fürchte das Du nicht ganz richtig liegst. Ich bin erst darauf aufmerksam geworden, als ich die 1310 N entspricht 130 kg gesehen habe. Das wäre viel zu viel Last auf einem Fräser. Stelle Dir eine CNC Portalfräse vor, die aus Aluprofilen gebaut ist und die Z-Achse nach unten gefahren ist. 1310 N würden die Konstruktion (zus. Hebelkräfte mehr als Faktor 10 möglich) erheblich verformen. Was Du berechnet hast ist nicht die gefragte Vorschubkraft sondern die Schnittkraft. Die wird aber mit einem anderen Beiwert (K) berechnet, der im Durchschnitt, z.B. bei Stählen 5 fach kleiner ist. Da es ein lineares Problem ist kann man Deine 1300 N also nochmal durch ca. 5 teilen und erhält dann typische Vorschubkräfte von einigen 100 N, also hier ca. 200-400 N (also max ca. 40 kg)! Das ist die Kraft, die von der Konstruktion bei Vorschub mindestens aufgebracht werden sollte. Dies gilt auch für den Schraubstock (für den sind auch höhere Kräfte kein Problem siehe z.B bei youtube ein Video von AvE, .
Ich schaffe es leider im Moment nicht das alles sauber aufzuschreiben, aber hole ich nach. Das Ganze ist m.E. weniger für den Schraubstock wichtig, als für die Stabilität der Maschine (wenn man selber baut).
Gruß
Michael Schaefer
Hallo Michael,
danke für dein Feedback, ich werde die Rechnung baldmöglichst nochmal prüfen, gut möglich dass ich mich wo geirrt habe!
Gruß,
Toni
Hallo,
gibt es denn eine Formel für die Forschubskraft, ich habe eine Aufgabe zu lösen, bei der es auch nur auch diese ankommt und im Tab-Buch werde ich nicht fündig.
Ja ich werde mich in Kürze melden. Die Formel ist die Gleiche aber es gibt andere empirische Korrekturkonstanten. Die muss ich aber wieder raussuchen. Ich hoffe ich schaffe das bis Sonntag..
Hallo Toni,
Bei deinen Berechnungen gibt es ein paar Grundlegende Ungereimtheiten!
1) Die Spannkraft muss die Zerspankraft abhalten können. Die Schnittkraft ist lediglich eine teilkomponente der Zerspankraft( Schnittkraft, Vorschubkraft ggf. Passivkraft).
2) Relevant ist zusätzlich die art der Spannung( ist die Spannkraft gegen die Zerspankraft gerichtet oder senkrecht zu dieser)
3)Die Schnittkraft die du berechnet hast ist zwar grundsätzlich richtig allerdings gilt sie nur für eine Schneide des Fräsers. Theoretisch müsste man den Eingriffswinkeldes Fräsers im Werkstück berechnen und die dazugehörigen Schneiden die sich im Eingriff befinden. Diese werden dann mit der Schnittkraft multipliziert.
Prima, danke, hat mir sehr geholfen! Das reicht zum Abschätzen dicke aus.
Nur nebenbei: Bei der Gleichung von Viktor/Kienzle fehlt der Faktor K, das Ergebnis muß heißen Fc = 1318 N und nicht Fz,
aber alles geht aus Deinem Text schon richtig hervor.
Servus Mathias.
Hey Mathias,
super mitgedacht, dankeschön! Die CNC Blog Leser sind echt die Besten 🙂 Habe die Korrektur jetzt durchgeführt und hoffe dass jetzt alles stimmt!